Nach langwierigen Diskussionen hat der Bundestag am Freitag das Gesetz bezüglich Cannabis verabschiedet. Ursprünglich sollte die Legalisierung am 1. April in Kraft treten, jedoch besteht die Möglichkeit, dass der festgelegte Termin nicht eingehalten wird. Eventuell könnte das Gesetz sogar vollständig verworfen werden.
Der Bundesrat ist entscheidend
Gewiss ist, dass nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis am Freitag im Bundestag noch die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist, der am 22. März das nächste Mal tagt. Was dann geschieht, bleibt jedoch völlig ungewiss. Derzeit deutet alles darauf hin, dass zumindest der geplante Termin für das Inkrafttreten am 1. April nicht eingehalten werden könnte. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass das gesamte Vorhaben verworfen wird.
Das Gesetz, das federführend von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erarbeitet wurde, bedarf keiner Zustimmung der Länderkammer. Es handelt sich um ein Einspruchsgesetz, bei dem die Länder jedoch auch Mitwirkungsrechte besitzen: Bei der Sitzung am 22. März könnte der Bundesrat mit einer Mehrheit den Vermittlungsausschuss anrufen. Dies erscheint mittlerweile wahrscheinlich, da selbst Landesregierungen mit Beteiligung von SPD, Grünen oder FDP erhebliche Bedenken gegen die Pläne der Ampelkoalition haben. Falls der Ausschuss angerufen wird, kann der 1. April nicht mehr eingehalten werden.
Aber es gibt Kritik
Kritiker äußern Bedenken bezüglich des erheblichen Aufwands, der durch die Amnestieregelung entstehen könnte. Die Bedenken konzentrieren sich mittlerweile weniger auf Fragen des Jugendschutzes, sondern vielmehr auf rechtliche Probleme aus Sicht der Länder. Das Cannabisgesetz beinhaltet eine Amnestievorschrift, nach der rechtskräftige Strafen für Cannabisvergehen, die nach dem neuen Gesetz nicht mehr strafbar sind und auch nicht mehr mit einer Geldbuße belegt werden, mit Inkrafttreten der Neuregelung erlassen werden sollen, sofern sie noch nicht vollstreckt wurden. Die Länder befürchten nun eine Überlastung der Justiz, da diese unverzüglich alle Fälle überprüfen muss, was beispielsweise die Freilassung von Betroffenen aus der Haft einschließt. Sollte dies zu lange dauern, könnten die Verantwortlichen nach Auffassung von Juristen unter Umständen strafrechtlich belangt werden.
Mitarbeiter ohnehin schon überlastet
„Allein in Niedersachsen gehen wir von über 16.000 Akten aus, die manuell von unseren ohnehin bereits überlasteten Mitarbeitern überprüft werden müssen – bundesweit handelt es sich um ein Vielfaches“, warnte die niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD). Dieser Einschätzung schließt sich auch der Deutsche Richterbund (DRB) an. „Die Justiz rechnet bundesweit mit mehr als 100.000 Akten, die im Falle des geplanten rückwirkenden Straferlasses bei Cannabisdelikten nochmals überprüft werden müssen“, erklärte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Allein beim Amtsgericht Köln sind es beispielsweise mehr als 10.000 Fälle. Die fünf zuständigen Richter gehen davon aus, dass es rechnerisch 50 Wochen oder ein Jahr benötigen würde, um diese abzuarbeiten. „Das kann doch politisch nicht gewollt sein, zumal eine rückwirkende Änderung bereits rechtskräftiger Strafurteile in einem Rechtsstaat eine seltene Ausnahme ist, die anlässlich der Cannabislegalisierung nicht gerechtfertigt erscheint“, betonte Rebehn.
Für die Staatsanwaltschaften bedeutet das Cannabisgesetz konkret, dass sie alle Strafakten, die sich auf das Betäubungsmittelgesetz beziehen, erneut manuell überprüfen müssen, um festzustellen, ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären“, sagte Rebehn. Es muss ermittelt werden, „ob es sich bei dem Betäubungsmittelverstoß (auch) um Cannabis handelte und um welche Menge es sich dabei handelte.“ Das lässt sich jedoch nicht einfach aus dem Bundeszentralregisterauszug ablesen, da die genaue Tathandlung und die Art des Betäubungsmittels in der Regel nicht dort vermerkt sind.
Zusatzbelastung für die Gerichte
Auch auf die Gerichte kommt daher eine enorme Zusatzbelastung zu. „Ist der Angeklagte wegen mehrerer Straftaten zu einer sogenannten Gesamtstrafe verurteilt worden, muss das Gericht die nach neuem Recht nicht mehr relevante Betäubungsmittelstraftat nachträglich außer Betracht lassen und die Strafe mit neuer Begründung neu fassen“, erklärte Rebehn. Der Gesetzgeber wäre daher gut beraten, die geplante Amnestie-Regelung für noch nicht vollstreckte Altfälle aus dem Cannabisgesetz zu streichen. „Anderenfalls würde die Ampelkoalition eine durch steigende Verfahrenszahlen ohnehin überlastete Strafjustiz ohne Not noch zusätzlich massiv belasten“, beklagte der Richterbund-Geschäftsführer.
SPD-Politikerin Baehrens: Mehraufwand „konstruierte Geschichte“
Die Forderung von Landesjustizministerin Wahlmann, den Amnestieparagrafen zu streichen oder das Gesetz zumindest erst ein halbes Jahr nach der Verkündung in Kraft zu setzen, fand Zustimmung. Ein ähnlicher Vorschlag wurde anscheinend innerhalb der Ampelkoalition diskutiert, aber von Gesundheitsminister Lauterbach abgelehnt.
Die SPD-Bundestagsfraktion bezweifelt die Argumentation der Länder. SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt sagte, es sei eher eine „Glaubensfrage“, ob die Justiz tatsächlich durch die Amnestie stark belastet werde, da sie gleichzeitig durch die Entkriminalisierung entlastet werde. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens nannte die Bedenken eine „konstruierte Geschichte“. Trotzdem räumte sie ein, dass die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die Bundesländer nicht ausgeschlossen sei.
Im Vermittlungsausschuss könnten die Länderampelvertreter ihre Bundestagskollegen dazu zwingen, weitreichende Änderungen am Gesetz vorzunehmen. Andernfalls besteht die Möglichkeit, die Beratungen im Ausschuss zu verzögern – möglicherweise bis zum Ende der Wahlperiode, wodurch das Gesetz nicht mehr in Kraft treten könnte. Denn es existiert keine verfassungsrechtliche oder gesetzliche Frist für den Abschluss der Verhandlungen.
Der 1. April ist aber dennoch möglich
Noch ist alles möglich. Nach einer bestimmten Anzahl von Versuchen zur Einigung kann jedoch ein Mitglied des Ausschusses den Abbruch beantragen. Eine Sitzung später endet das Vermittlungsverfahren ohne einen Vorschlag zur Einigung. Nun liegt die Verantwortung wieder beim Bundesrat. Wenn bei der Abstimmung keine Mehrheit für einen Einspruch gefunden wird, kann das Gesetz in seiner ursprünglichen Form doch noch in Kraft treten.
In diesem Fall ist es jedoch wahrscheinlicher, dass die Länderkammer Einspruch erhebt. Wenn dies mit einfacher Mehrheit geschieht, kann die Ampelkoalition den Einspruch mit der Kanzlermehrheit ablehnen, und das Gesetz kann unverändert in Kraft treten. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Einspruch der Länderkammer mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen wird. In diesem Fall fehlt der Ampelkoalition die erforderliche Mehrheit im Bundestag, um den Einspruch abzulehnen. Dann wäre das Gesetz in dieser Wahlperiode endgültig gescheitert.